Wer am Donnerstagabend nach draußen blickt, könnte einen der seltensten Anblicke des Jahres erleben: Polarlichter über Norddeutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben für die Nacht vom 6. auf den 7. November 2025 eine deutliche Wahrscheinlichkeit ausgerufen – und das, obwohl diese Lichter normalerweise nur über Norwegen, Island oder Alaska zu sehen sind. Der Grund? Ein massiver Sonnenflare, der am 4. November um 18:30 Uhr CET die Erde traf, und ein darauf folgender koronaler Massenauswurf (CME), der nun seine Wirkung entfalten soll. Es ist kein gewöhnliches Wetterphänomen – es ist Weltraumwetter, das den Nachthimmel über Flensburg, Hamburg oder sogar Frankfurt zum Leuchten bringt.
Warum jetzt – und warum hier?
Der Schlüssel liegt im DLR-Institut für Solar-Terrestrische Physik in Köln. Dort analysieren Forscher seit Jahren, wie Sonnenstürme das Erdmagnetfeld beeinflussen. Diesmal hat ein besonders starker Flare eine riesige Wolke aus geladenen Teilchen ins All geschleudert. Diese trifft nun in der Nacht zum Freitag auf die Erde – und löst einen geomagnetischen Sturm aus. Gemessen wird das mit dem Kp-Index, der von 0 (ruhig) bis 9 (extrem) reicht. Bei einem Wert von 6 sind Polarlichter theoretisch ab Flensburg sichtbar, bei 7 auch in Frankfurt. Und die Prognose? Kp 7 bis 8. Das ist kein Zufall. 2025 ist das Jahr des Sonnenmaximums, des Höhepunkts eines elfjährigen Zyklus. Das letzte Mal war das 2014 – und 2015 sahen Deutsche zum ersten Mal seit Jahrzehnten Nordlichter. Jetzt wieder.
Was genau passiert am Himmel?
Polarlichter, auch Aurora borealis genannt, entstehen, wenn Sonnenwinde auf das Erdmagnetfeld treffen und Teilchen in die obere Atmosphäre gelenkt werden. Dort kollidieren sie mit Sauerstoff- und Stickstoffmolekülen – und erzeugen grelle Farben: Grün ist am häufigsten, aber auch Pink, Violett und Rot tanzen dann über den Himmel. Es ist kein Blitz, kein Feuerwerk – es ist ein langsames, waberndes Spiel des Lichts, das sich wie ein Schleier über den Nachthimmel legt. Die beste Beobachtungszeit? Zwei Stunden vor und nach Mitternacht. Und die Voraussetzungen? Dunkelheit, klare Wolken, und möglichst wenig Lichtverschmutzung. Wer in Hamburg, Bremen oder an der Ostseeküste wohnt, hat die besten Chancen. Selbst in der Nähe von Hannover oder Kassel könnte es gelingen – wenn der Kp-Index hoch genug bleibt.
Warum ist das wichtig – außer für Fotografen?
Ja, es ist ein Spektakel. Aber das DLR forscht nicht nur, um Menschen zu begeistern. Die gleichen Sonnenstürme, die Nordlichter hervorrufen, können Stromnetze überlasten, Satelliten stören oder GPS-Systeme durcheinanderbringen. Im Jahr 1989 löste ein vergleichbarer Sturm in Kanada einen großflächigen Stromausfall aus. Deshalb arbeitet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt eng mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zusammen. Die Prognose für die kommende Nacht ist nicht nur eine Einladung zum Himmelsgucken – sie ist auch eine Warnung. Wer Stromnetze, Kommunikation oder Flugnavigation schützen will, muss diese Ereignisse verstehen. Und genau das tun die Wissenschaftler am DLR: Sie übersetzen Sonnenaktivität in konkrete Risiken für die Gesellschaft.
Was sagen Experten außerhalb Deutschlands?
Die Vorhersage stützt sich nicht nur auf deutsche Daten. Die Universität Alaska Fairbanks mit ihrem Geophysical Institute gilt als weltweit führend in der Polarlichtforschung. Ihre Modelle zeigen: Die Aktivität erreicht ihren Höhepunkt nicht direkt mit dem Sonnenmaximum, sondern etwa ein Jahr danach. Das erklärt, warum 2025 so besonders ist – nicht nur, weil die Sonnenflecken zahlreich sind, sondern weil die Auswirkungen jetzt am stärksten sind. Bereits im Herbst 2024 waren Polarlichter bis nach Südtirol zu sehen. Damals dachten viele: Zufall. Heute wissen wir: Es war ein Vorbote. Und es wird nicht das letzte Mal sein.
Was kommt als Nächstes?
Die nächsten Wochen könnten noch spektakulärer werden. Die Sonne ist nicht ruhig. Neue Sonnenflecken entstehen täglich, und mit ihnen neue Flares. Die DLR-Wetterdienste aktualisieren ihre Prognosen stündlich. Wer die nächste Chance nicht verpassen will, sollte sich auf die Website heute-am-himmel.de einrichten – dort wird der Kp-Index in Echtzeit angezeigt. Auch Apps wie "My Aurora Forecast" oder die offiziellen Warnungen des DLR sind hilfreich. Die nächste Gelegenheit könnte schon in zwei Wochen liegen – wenn ein weiterer CME auf die Erde zusteuert. 2025 bleibt ein Jahr der Ausnahmen. Und wer jetzt nicht rausgeht, um nach oben zu schauen, verpasst etwas, das nur alle 11 Jahre so häufig wird.
Frequently Asked Questions
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, Polarlichter in Norddeutschland zu sehen?
Die Wahrscheinlichkeit liegt aktuell bei etwa 60–70 % für Norddeutschland, wenn der Kp-Index auf 6 oder höher steigt. Bei klarem Himmel und dunklem Standort – etwa an der Küste oder im ländlichen Norden – sind die Chancen besonders gut. In Süddeutschland ist es unwahrscheinlicher, es sei denn, der Kp-Index erreicht 7 oder mehr.
Warum sind Polarlichter jetzt sichtbar, obwohl Deutschland so weit südlich liegt?
Normalerweise sind sie nur nördlich des 60. Breitengrads sichtbar. Doch im Sonnenmaximum wird das Erdmagnetfeld durch starke Sonnenwinde stark verformt – das sogenannte magnetische Breitengrad (MLAT) verschiebt sich. Dadurch können die Lichter bis nach Mitteleuropa reichen. 2025 ist das stärkste Sonnenmaximum seit 2014 – und damit eine seltene Gelegenheit.
Wie lange dauert ein Polarlicht-Anblick?
Die Aktivität kann von wenigen Minuten bis zu mehreren Stunden anhalten. Meist kommt sie in Wellen: Zuerst ein schwaches Grün, dann plötzlich ein pulsierendes Rot oder Violett, gefolgt von einer Pause. Wer länger draußen bleibt, hat bessere Chancen – besonders zwischen 22 Uhr und 2 Uhr nachts.
Können Polarlichter auch Schaden anrichten?
Ja. Starke geomagnetische Stürme können Stromnetze überlasten, Satelliten stören oder GPS-Systeme beeinträchtigen. Das DLR warnt deshalb auch vor technischen Risiken. In der Nacht vom 6. auf 7. November sind schwache Störungen möglich – besonders in der Hochspannungsnetztechnik. Aber kein großflächiger Ausfall ist zu erwarten.
Warum wurde das DLR-Institut in Köln für diese Prognose zitiert?
Das Institut für Solar-Terrestrische Physik ist Deutschlands führende Einrichtung für Weltraumwetterforschung. Es verknüpft Satellitendaten mit Bodenmessungen und modelliert die Auswirkungen von Sonnenstürmen auf die Erde. Ihre Prognosen sind Grundlage für nationale Sicherheitswarnungen – und für die Öffentlichkeit die verlässlichste Quelle.
Wann ist das nächste Mal so etwas möglich?
Solche Sichtbarkeiten in Deutschland werden bis Ende 2026 weiterhin möglich sein, da die Sonnenaktivität noch hoch bleibt. Danach nimmt sie langsam ab. Das nächste Sonnenmaximum ist erst wieder um 2036. Wer jetzt nicht hinschaut, muss bis 2036 warten – oder länger.